Johannes Lehner
Der OK-Präsident freut sich auf die neue Gwärbi 2024 in Schöftland
Montag, 4. Dezember 2023
Bundeskanzler Walter Thurnherr hielt am vergangenen Montag im alten Gemeindesaal in Lenzburg eine Rede zur Zukunft der Schweiz. Der zukünftige Erfolg der Schweiz hange wesentlich von drei Schlüsselfaktoren ab.
Lenzburg Das Schloss hoch über der Stadt erleuchtete bereits im hellen Licht der Scheinwerfer, als Bundeskanzler Walter Thurnherr am vergangenen Montagabend die Bühne im alten Gemeindesaal in Lenzburg betrat. Er befindet sich sozusagen auf Abschiedstour – im August gab der in Wohlen aufgewachsene Stabschef des Bunderats bekannt, sich im Dezember nicht mehr zur Wahl zu stellen. Vor den grossen Fragen schreckte Thurnherr in seinem Referat im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung der Mitte-Politikerin Christina Bachmann-Roth dennoch nicht zurück. «Wie bleibt die Schweiz ein Erfolgsmodell?» lautete das Thema des Abends.
Die Fragestellung an sich impliziert bereits, dass die Schweiz aktuell ein Erfolgsmodell ist. Um diese These zu begründen, holt Thurnherr weit aus. Schon immer sei es ja nicht so gewesen. Wenn der Begriff auch oft sehr inflationär gebraucht werde, für die Schweiz habe es eine echte Zeitenwende gebraucht, um zum Erfolgsmodell zu werden. Diese notwendige, echte Zeitenwende sei die Verabschiedung der ersten Bundesverfassung im Jahre 1848 gewesen. Für die Verfassungsväter sei das schweizerische Vaterland nicht so sehr das Land ihrer Vorfahren, sondern viel mehr das Land ihrer Nachfahren gewesen. Unter diesem Blickwinkel wollte auch Thurnherr sein Referat verstanden wissen. Entscheidend für die Frage, ob die Schweiz auch in Zukunft ein Erfolgsmodell sein wird, sind nach Ansicht von Walter Thurnherr drei Schlüsselfaktoren.
Die Schweiz sei schon heute und werde zunehmend vom Ausland abhängig sein. Sei es beim Abbau von seltenen Erden für die Produktion von Mikrochips oder bei Regulierungsfragen zu Themen wie künstlicher Intelligenz und den sozialen Medien. Dazu komme dann noch das Dauerthema Migration. Thurnherr erinnerte daran, dass noch immer rund die Hälfte der Weltbevölkerung von weniger als 5.75 Franken pro Tag lebt. Daher müsse sich die Schweiz verstärkt damit befassen, was im Ausland geschieht.
Aber auch der Blick nach innen dürfe nicht vergessen werden. Um die Errungenschaften von 1848 zu bewahren, sei es wichtig, denn Fundamenten unserer direkten Demokratie Sorge zu tragen. In Zeiten der zunehmenden Polarisierung der Bevölkerung sei die Stabilität, welche dieses Fundament liefere, unabdingbar. Dazu gehöre auch ein vernünftiger Ausgleich zwischen Arm und Reich, denn wo Verdrossenheit herrsche, würden die Leute gewählt, die Verbesserungen versprechen – ob sie diese dann liefern oder nicht.
Zu guter Letzt sei es entscheidend, die eigene Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Die Schweiz als Innovationstreiberin könne diese Aufgabe nur wahrnehmen, solange Bildung, Forschung und die Wirtschaft entsprechend gefördert werden. Wie bei der Infrastruktur müsse dabei Jahrzehnte voraus geschaut werden.
Dass ansonsten zu viel Potenzial verloren gehen könne, illustrierte Thurnherr am Beispiel von John Krüsi. Der Schweizer Maschinenbauer wanderte wie so viele Mitte des 19. Jahrhunderts in die USA aus, wo er später als enger Mitarbeiter von Thomas Edison an der Erfindung der Glühbirne und des ersten Grossgenerators massgeblich beteiligt war.
Das Referat wirkte extrem gut recherchiert. Jede Aussage wusste Thurnherr sogleich mit einer passenden Referenz oder einem historischen Vergleich zu untermauern – der einte oder andere Scherz lies er ebenfalls nicht missen. Dabei schaute der Bundeskanzler auch weit über die Landesgrenzen hinaus. Neben Zitaten von historischen Schweizer Figuren wie dem Dichter Gottfried Keller bediente sich Thurnherr auch immer wieder an geschichtsträchtigen Weltereignissen, vom ersten Weltkrieg über die Kubakrise bis hin zur Unterzeichnung des koreanischen Waffenstillstandsabkommen im Jahre 1953. Dass er sowieso ein geübter Redner ist, stellte der Noch-Bundeskanzler auch an diesem Abend unter Beweis.
Von Adrian Oberer
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